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Mr. Hyde
the dark side of me

 
Man muss durch die Nacht wandern,
wenn man die Morgenröte sehen will.

Diese weisen Worte stammen von Khalil Gibran.

Ich bin immer wieder überrascht, was der menschliche Körper so alles aushält und wegstecken kann. Wenn man bedenkt, dass es kaum zwei Tage her ist, dass mein Vater versuchte, sich das Leben zu nehmen, so geht es ihm heute schon wieder verhältnismäßig gut und er konnte erstmals wieder aufstehen. Nächste Woche steht noch eine Operation am Handgelenk an, aber das wird auch noch. Er scheint inzwischen auch zu realisieren, was am Donnerstag/Freitag eigentlich passiert ist bzw. beinahe passiert wäre.

Ich selbst werde noch lange brauchen, bis ich darüber weg bin, wobei man so was nie vergessen können wird. Ich werde dieses Bild aus meinem Kopf nicht los und schlafe derzeit überaus schlecht. Ich bin keine zierliche Person und wenn man mich sieht, denkt man vermutlich auch, dass mich so schnell nichts umwirft. So kann man sich täuschen. Es ist sicher schon 20 Jahre her, dass ich Angst im Dunkeln hatte. Seit Freitag habe ich das wieder. Extrem war es gestern, da ich ganz allein in diesem riesigen Haus war. Normal nichts ungewöhnliches, aber gestern fühlte ich mich sehr, sehr unwohl in meiner Haut.

Ich kontrollierte mehrfach Fenster und Türen und schloss sogar die Tür zum Keller ab. Ich kann meinem Vater im Moment auch nur sehr schwer ins Gesicht schauen, ich ertrage das im Moment einfach nicht. Auf der einen Seite hasse ich es, was er tut. Auf der anderen Seite habe ich großes Mitleid, da er nichts dafür kann. Und das ist auch der Grund, warum ich ihn nicht allein lassen mag in diesem Haus. Genauso geht es meiner Schwester P. Dafür sind Familien da, dass man sich in schlechten Zeiten auf sie verlassen kann. Denn ich weiß, für mich würden sie das Gleiche tun. Trotzdem, es wird nicht einfach…

Ich hatte es ja angedroht: Fortsetzung folgt und dem komme ich jetzt nach. Mein Vater war ja am frühen Donnerstagnachmittag verschwunden und spät abends machten meine Schwester P. und ich mir dann wirklich langsam große Sorgen, da dies Verhalten absolut untypisch für ihn ist. So fuhr ich dann durch die Gegend, um vielleicht ein Zeichen von ihm aufzufinden. Aber natürlich Fehlanzeige. Nachts ist nicht wirklich viel los hier, trotzdem ist das wie die berühmte Nadel im Heuhaufen zu suchen. Gegen drei Uhr nachts schlief ich dann ein, allerdings sehr schlecht und auch mit einem unguten Gefühl. Mir war klar, dass irgendwas nicht stimmen kann.

Am Freitagmorgen war er dann immer noch nicht aufgetaucht und P. machte sich auf den Weg zur Arbeit. Ich arbeitete den Tag von zu Hause aus und überprüfte noch mal alles nach einem Zeichen von ihm. Es hätte ja sein können, dass er nachts irgendwann aufgetaucht war. Dem war leider nicht so, zumindest bemerkte ich nichts. Ich widmete mich zunächst meiner Arbeit mit dem festen Vorsatz am Nachmittag die Polizei zu verständigen. Es muss ca. 12.30 Uhr gewesen sein, als plötzlich die Kellertür aufging und mein Vater der Länge nach auf den Flur fiel so plump wie ein Baum, der gerade gefällt wurde. Kurz darauf begann er zu röcheln. Ich verständigte sofort den Notruf.

Noch während dem Telefonat war ich zu ihm gelaufen und sah nur den wirklich schlimmen Zustand. Er stank fürchterlich, war schmutzig und das Shirt voller Blut Der Rettungswagen sollte sofort kommen. Ich begann mit ihm zu reden und ihn weiter zu fragen, was passiert sei. Stark zitternd und röchelnd sagte er, dass er sich das Handgelenk aufgeschnitten hatte. Ich sah vorsichtig nach und sah am rechten Handgelenk eine tiefe, klaffende Wunde, die aber nicht mehr blutete. Ich rief sofort nochmals den Notruf an und gab die neuesten Erkenntnisse durch. Danach versuchte ich ihn in die stabile Seitenlage zu bewegen.

Wie sich später herausstellte, muss er am vergangenen Abend schon heim gekommen sein und befand sich dann die ganze Zeit im Keller (sehr groß, viele Räume). Offenbar war er nur wenige Stunde weg (wenn überhaupt) und hatte sich da schon versucht die Pulsader aufzuschneiden. Wenn er richtig getroffen hätte, wäre er jetzt auch nicht mehr am Leben. Er hatte unwahrscheinliches Glück. Er hatte sehr viel Blut verloren, zitterte vor Kälte und war so schwach, dass er wirklich kurz davor war, das letzte Fünkchen Leben zu verlieren. Er stammelte nur ständig "ich halte das nicht mehr aus, ich will nicht mehr."

Als er nach einer halben Stunde etwa unterwegs war ins Krankenhaus, realisierte ich erst, was passiert war und zitterte am ganzen Körper. Wie verzweifelt muss man sein, um sich so was anzutun? Ich mag gar nicht daran denken, dass er geschätzte 18 Stunden in seinem eigenen Blut lag, die klaffende Wunde sowie den nahenden Tod vor sich und sein Leben hinter sich. Und dies alles keine 10 m von uns entfernt. Niemand hat es bemerkt und ich war gestern Nacht sogar noch im Keller, um etwas zu trinken zu holen. Ich habe weder etwas gehört, noch gesehen.

Ich habe noch nie in meinem Leben so den Boden unter den Füßen verloren. Ich hatte gespürt, dass etwas passiert ist, aber das lag außerhalb meiner Vorstellungskraft. Er hat schon oft Dummheiten gemacht, aber noch nie etwas, dass auch nur ansatzweise in diese Richtung ging. Es ist auch nicht so, dass ich noch nie mit so was konfrontiert gewesen wäre. Ich bin dem Tod mehr als einmal im letzten Moment von der Schippe gesprungen und habe schon Menschen vor meinen Augen sterben sehen, aber das heute (besser gestern) übertraf jegliche Horrorvisionen. Als ich nach seinem Abtransport mit dem Polizisten den Keller in Augenschein nahm, kamen mir die Tränen und ich war kurz davor zusammen zu brechen. Das Bad im Keller glich mehr einem Schlachthof. Später im Krankenhaus, als ich ihm seine Sachen brachte, konnte ich fast nichts sagen. Ich war am Ende und ich glaube, ihm wurde langsam klar, was überhaupt passiert war und was er getan hatte.

Erschreckend das Verhalten der Nachbarn. Kaum war der Notarzt weg klingelten die Ersten bereits an der Tür, um den neuesten Klatsch aufzunehmen. Auch immer wieder schön Reaktionen der Verwandten. "Mensch, P. war ja richtig fertig." Oder "Kümmere dich bloß gut um P." Ja, sicher, nur wer kümmert sich um mich? P. hat ihren Freund, der für sie da ist. Aber ich wirke stark, zumindest äußerlich. Mich erschüttert nichts, denken viele. Dabei fehlt mir langsam die Kraft. Die Kraft, das alles noch zu verarbeiten. Dabei geht es bereits nächste Woche intensiv weiter. Gespräche mit dem Psychiater, den derzeit und zukünftig behandelnden Ärzten. Denn wichtig ist, dass so was nicht wieder passiert. Und irgendwann. Ja irgendwann. Da werde ich dann auch mal Zeit für mich haben.

Wir sind Warten gewöhnt im Leben, man verbringt viel zu viel seiner ohnehin nur begrenzten Zeit damit. Dabei gibt es auch eine angenehme Art des Wartens: die Vorfreude. Wir allen kennen sie, wie sie sich immer weiter steigert und man sich kurz davor befindet, vor Spannung förmlich zu platzen. Es gibt lästiges Warten, zum Beispiel auf einen Bus oder darauf, dass man beim Arzt endlich an die Reihe kommt. Im Gegensatz zum wirklich unangenehmen Warten weiß man hier allerdings, dass auch etwas passieren wird. Selbst wenn ich lange auf einen Bus warte, wird er dann schon irgendwann kommen. Und wenn wirklich mal einer nicht kommen sollte, dann kommt eben der nächste früher oder später.

Im Moment warte ich auf meinen Vater, der wieder eine schlimme Phase hat. Er hat sich heute Nachmittag verabschiedet, da er spazieren gehen wollte. Soweit sicher nicht ungewöhnlich, aber mich hätte stutzig machen sollen, dass er den Hund nicht mitgenommen hat wie sonst. Jetzt warte ich schon über zehn Stunden, dass er sich wieder hier einfindet. Er ist oft länger weg gewesen zuletzt, da er ja davon laufen muss. Weg von den Leuten, die ihm angeblich Böses wollen. Eine Flucht, die er nicht schaffen kann, ein Teufelskreis geradezu. Ich weiß das, er leider nicht. Er vermag im Moment auch nicht nachzuvollziehen, wie sehr man sich Sorgen macht in solchen Momenten.

Das erinnert mich an eine Geschichte, die wir vor ca. zwei Jahren mit ihm erlebt haben. Damals floh er auch vor den Strahlen – mit dem Auto. Ihn verschlug es durch das halbe Land und wir bekamen abends einen Anruf, ob wir einen Herrn X kennen würden. Natürlich war dem so. Die Polizei hatte ihn völlig verwirrt auf einem Parkplatz gefunden und ihn in eine Klinik eingeliefert. Damals versprach er uns, seine Medikamente regelmäßig zu nehmen. Wie wir heute wissen, hat dieses Versprechen nicht lange gehalten. Leider. To be continued. Leider.

Bevor ich hier nur meine depressive Seite zeige... Auch ich habe zwei Seiten und heute gestern (Nachtmensch, grrr) war einer dieser Tage, die von der guten Seite gerpägt waren. Der Tag fing OK an und besserte sich mit zunehmender Laufzeit, um richtig gut zu enden. So kann und darf das bleiben. Stay with me, my darling.

Der Anfang

Ich hätte nicht gedacht, dass es jemals so schön sein könnte, mit jemanden an meiner Seite zu leben. Ich liebe und werde dich immer lieben, denn du bist genau der Richtige für mich. Nämlich der, den ich liebe und für immer an meiner Seite haben will.

Das Ende

Du ekelst mich an.

Dazwischen liegen nur drei Jahre. Warum sind gerade die Menschen so gemein zu einem, die man am meisten liebt und nicht verlieren will? Warum gibt es im Leben diese brutalen Ups & Downs? Warum nur schwarz und weiß? Warum kann das Leben nicht einfach grau sein? Also ein gesunder Mix. Wäre das so langweilig?

Manchmal habe ich Angst davor, dass psychische Krankheiten vererbbar sind. Mein Vater ist manisch depressiv. Damit lässt sich eigentlich super leben, sofern man die verordneten Medikamente regelmäßig nimmt. Das Problem bei Leuten, die an dieser Krankheit leiden ist jedoch, dass sie sich einreden, dass sie nicht krank sind und daher auch keine Medikament brauchen. Das führt dann unweigerlich zu einer Phase, wo die Krankheit extremer auftritt. Dabei benehmen sich Betroffene wirklich wie Dr. Jekyll & Mr. Hyde. In der depressiven Phase lassen sie den Kopf hängen und sacken in sich zusammen und ergeben sich im Selbstmitleid. In der manischen Phase bilden sie sich viele Dinge ein, leiden unter Verfolgungswahn und verlieren fast völlig den Bezug zum normalen Leben.

Im Moment steckt mein Vater in einer manischen Phase. Er behauptet extrem mit Strom bestrahlt zu werden und zwar von „Ihnen“ (wer immer das auch sein mag). Er wechselt ständig den Schlafplatz, deckt sich mit Gummimatten zu (die leiten ja nicht) oder bindet sich Alufolien und Drähte um den Körper. So lustig das jetzt für den Außenstehenden klingen mag, so schlimm ist das für Leute, die so was miterleben müssen, wie ein erwachsener Mensch so den Halt verliert und sich absolut gestört benimmt. Sinniges Argumentieren ist da nicht mehr drin. Sobald die Argumente ausgehen artet das schnell in Geschrei aus. Neuerdings geht er nachts spazieren, damit er vor der Strahlung quasi weglaufen kann (nachts ist es angeblich schlimmer). So bekommt wenigstens der Hund viel Auslauf.

So oft ich auch darüber nachdenke ihn allein zurück zu lassen, so oft muss ich dann daran denken, dass er einem wirklich Leid tun kann und allein völlig auf der Strecke bleiben würde. Er muss erst wieder richtig auf den Bauch fallen, dann geht es meist ein paar Monate wieder gut, bevor das Spiel von vorne beginnt. Traurig aber wahr und somit ein kleiner Teufelskreis.

Es ist nicht so, dass dies mein erster Beitrag in einem Weblog wäre. Für mich ist es dennoch ein Neuanfang, denn hier kennt mich niemand und ich kann eigentlich das tun, was ich schon immer tun wollte. Über mich schreiben. Ohne Tabus, ungeschönt und eben auch die dunkle Seite, die nur sehr wenig Leute kennen bzw. kennen lernen möchten. Für mich eine Art, darüber nachzudenken und einen Tag zu verarbeiten und abzuhaken. Eben auch die Thmen, die ich normalerweise für mich behalten würde, eventuell aus Rücksicht vor anderen oder zum Schutz meiner eigenen Person. Reizvoll. Eine gewisse Vorfreude. Aber auch etwas Angst. Wir werden sehen. Und nicht erschrecken lassen von dem dunklen Titel und der Befürchtung, dass dies ein Depri- und Jammerweblog wird.

 

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